Die Fragen der Fragen drängen sich auf – Wage ich dieses Abenteuer? Wird es mir Freude bereiten? Welche Unsicherheiten erwarten mich? Was, wenn die Realität nicht meinen Vorstellungen entspricht?
Für jemanden, der noch nie längere Zeit alleine gereist ist, der die Welt der Hostels und Mehrbettzimmer nie betreten hat, stellen sich diese Gedanken wie unaufhörliche Wellen in der Abflughalle. Die Verlockung, umzudrehen und zurückzugehen, wird stärker. So stand ich im Februar 2022 am Frankfurter Flughafen und wurde von einem Wust an Emotionen überrollt. Doch in diesem entscheidenden Moment setzte sich ein anderer Gedanke durch: Was, wenn diese Reise unbeschreiblich wird? Dieser Gedanke, stärker als der innere Schweinehund, ließ mich den Mut fassen, ins Unbekannte aufzubrechen.
…ABER WAS IST, WENN DIES DIE BESTE ENTSCHEIDUNG MEINES LEBENS IST, WENN ICH MICH SELBST GANZ NEU ENTDECKE, WENN ICH INNERLICH WACHSE UND STÄRKER WERDE, WENN JEDER MENSCH, DEN ICH TREFFE, MEINE SEELE BERÜHRT UND JEDER MOMENT DER REISE MICH TIEF ENTSPANNEN UND VIELLEICHT SOGAR GLÜCKLICHER MACHEN KANN, ALS ICH ES JEMALS GEWAGT HÄTTE?
Warum ich überhaupt den Schritt gewagt habe, alleine auf Reisen zu gehen, und warum ich definitiv wieder alleine reisen werde?
Ich hatte genug davon, auf Freunde oder Familie zu warten, um endlich einen passenden Termin und ein passendes Reiseziel zu finden. Außerdem sehnte ich mich danach, einen längeren Urlaub zu machen, was nicht jeder einfach so bewerkstelligen kann oder will – sei es wegen der Arbeit, dem Partner, dem Haus, den Kindern oder dem Hund. Das ist natürlich völlig verständlich, aber letztendlich führte mich dieser Umstand dazu, alleine auf Reisen zu gehen.
Das Dilemma mit der Angst und den Medien:
Die größte Sorge meiner Lieben, vermutlich allgemein der Menschen und anfangs auch meine, war die Vorstellung, alleine in ein unbekanntes und weit entferntes Land zu reisen, über das in den Medien nicht wirklich positiv berichtet wird. Interessanterweise hatten diejenigen, die solche negativen Berichte verfassen, zu 99 % selbst noch nie vor Ort gewesen.
Natürlich gibt es Quartiere, die man vielleicht besser meidet, und Vorfälle, die schwer zu begreifen sind. Doch wer glaubt, dass es solche Dinge nicht auch in Deutschland gibt oder dass ähnliche Vorfälle hier nicht vorkommen, der lebt möglicherweise in einer Blase, die jenseits von Realität und Sachlichkeit liegt.
WARUM ES SICH LOHNT ALLEINE ZU REISEN:
Der erste und wichtigste Grund fürs alleine Reisen bist du selbst:
Es ist wie ein Blick über den Tellerrand, eine Expedition aus der eigenen Komfortzone. Obwohl du jederzeit Familie und Freunde anrufen kannst, wenn etwas nicht nach Plan läuft, stehst du letzten Endes allein da und musst selbst entscheiden, wie du mit der Situation umgehst. Niemandem kann die Schuld zugeschoben werden, wenn etwas schiefgeht. Im Guten wie im Schlechten liegt die Entscheidung bei dir.
Bei einem Solo-Trip wird man regelmäßig aus der Komfortzone herauskatapultiert. Man wird dazu gezwungen, sich weiterzuentwickeln, sich selbst besser kennenzulernen und offen für alles und jeden zu sein. Man ist oft allein unterwegs, spricht mit fremden Menschen in einer fremden Sprache oder mit Hilfe von Google Translator, wenn man Informationen benötigt und das Internet versagt. Die anfängliche Unsicherheit weicht dem Selbstbewusstsein, wenn man sich zurechtfindet und feststellt, dass man sich auf der Erde befindet, ohne zu wissen, wo genau. Plötzlich schreckt man nicht mehr zurück, wenn Einheimische mit Mimik und Gestik andeuten, dass man besser umkehren sollte.
Dinge, vor denen man früher Angst hatte, werden zum Alltag, und man fragt sich, warum man sich überhaupt Gedanken gemacht hat. Nach einer Weile entwickelt man ein besseres Gespür für andere Menschen und deren Absichten. Allein reisen macht eigenständiger, offener für neue Erfahrungen. Man merkt, dass es nicht viel braucht, um glücklich und dankbar zu sein.
Vorher war ich gewohnt, in 4- oder 5-Sterne-Hotels oder schönen Airbnbs zu übernachten. Selbst kleine Unvollkommenheiten, wie ein Haar im Zimmer, ließen mich zweifeln. Doch nach etwa 1,5 Wochen in Mehrbettzimmern gehe ich jetzt unter die Dusche, auch wenn dort Haare von anderen und Sand vom Strand liegen – immerhin kann ich (manchmal nur kalt) duschen und habe ein Bett zum Schlafen. Im Endeffekt ist das der Zweck, mehr benötigt es eigentlich nicht.
Tun, lassen und sehen, was und wo man möchte:
Beim alleine Reisen gibt es kein Warten auf andere, keine Diskussionen über Routen, und man muss nichts tun, wozu man keine Lust hat. Die Freiheit, länger zu bleiben oder spontane Entscheidungen zu treffen, ist ein wunderbares Gefühl. Das Leben kann so einfach und entspannt sein!
Finanzielle Entscheidungen können ganz individuell getroffen werden, und es gibt keine Kompromisse. Jeden Tag stellt man sich die Fragen: Was möchte ich heute sehen? Wo möchte ich essen? Und wo werde ich heute schlafen? Diese Fragen kann man ganz nach eigenem Ermessen beantworten, ohne auf andere Rücksicht nehmen zu müssen.
Die meisten Tage bringen neue Eindrücke und Abenteuer mit sich, denn man folgt seinem eigenen Instinkt und seiner Intuition. Dadurch entstehen die schönsten Geschichten und Erinnerungen, die man sonst wahrscheinlich nicht in dieser Form erlebt hätte.
Die Begegnungen mit Menschen:
Alleine zu reisen bedeutet nicht, einsam zu sein. Jeden Tag lernt man neue Menschen kennen – sei es im Hostel, am Strand, im Restaurant oder im Bus. Es gibt praktisch immer Mitreisende, die ebenfalls alleine unterwegs sind und mit denen man ins Gespräch kommen kann.
Im Vergleich dazu, wenn man mit Freunden oder der Familie reist, neigt man dazu, weniger neue Leute kennenzulernen. Alleine zu reisen erleichtert nicht nur einem selbst, sondern auch anderen das Ansprechen. Die meisten Menschen, die alleine reisen, haben ähnliche Absichten: eine großartige und unvergessliche Zeit zu erleben. Daher sind etwa 99,9 % freundlich und offen. Natürlich gibt es auch mal Tage, an denen die Laune nicht die beste ist, aber das gehört dazu.
Die Begegnungen mit Menschen machen die Zeit und die Orte oft einzigartig und unvergesslich. Jede Begegnung bringt Inspiration und wunderschöne Erinnerungen für das eigene Leben. Man hört so viele berührende Geschichten, die Körper und Geist verarbeiten müssen. Ab und zu ist es auch schön, ein paar Minuten für sich zu haben und die vielen Eindrücke wirken zu lassen.
Bist du auch schon alleine gereist oder worauf wartest du noch? =)
Jochen says
Hallo Anika, ich habe den Text über das Solo-Reisen gelesen und bin echt über die Bestimmtheit begeistert. Du ziehst es durch. Wir waren mit paar Freunden mit 16 immer mal länger auf Reisen in Norwegen, Schweden, Kenia oder in Slowenien. Das prägt und bleibt in Erinnerung. Auch Die Zeit 4 Monate alleine in Lissabon. Hattest du den auch schon unangenehme oder gefährliche Situationen erlebt? Man denkt halt direkt an was passieren kann. Oder wurdest du nicht auch mal krank? Lg Jochen